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Channel: Roman – Lovely Mix

Piccola Sicilia von Daniel Speck

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„Piccola Sicilia“ – kleines Sizilien. Das ist das italienische Viertel der bunten, offenen, farbenfrohen Mittelmeerstadt Tunis im Jahr 1942. Hier leben drei Religionen in guter Nachbarschaft zusammen. Doch dann erreicht der Krieg das Land. Aus dem Hotel Majestic wird die Zentrale der Nazis. Dort trifft der deutsche Kameramann Moritz auf die italienische Jüdin Yasmina. Die hat nur Augen für Victor, den Pianisten. Dessen Leben ist schon bald in Gefahr und Moritz kann ihn retten. Und: Sizilien, heute – Wasserarchäologen ziehen ein Flugzeugwrack aus dem Meer. Nina, Archäologin aus Berlin, sucht ihren verschollenen Großvater. In Sizilien trifft sie auf eine unbekannte Verwandte, die ihr Leben auf den Kopf stellen wirkt. Gemeinsam enthüllen sie das Geheimnis ihrer Familie. Drei Frauen, drei Kulturen, mehrere Generationen – ein Familienepos von einer wahren Geschichte inspiriert.

Die wichtigsten Begegnungen begreift man erst im Nachhinein als solche. Während sie geschehen, scheinen sie so selbstverständlich, als griffen die Räder des Schicksals geräuschlos ineinander, mit oder ohne unser Zutun mit oder ohne unser Einverständnis.

Piccola Sicilia, Seite 41

Familienepos, Zeitgeschichte und Kultur

Daniel Speck nimmt uns mit in eine andere Welt, in eine andere Zeit. Wir tauchen ein in einen sonnigen Herbsttag auf Sizilien. Schatzsucher entdecken eine alte, verschollene Ju52 im Meer. Diese Ju52, eines der letzten Flugzeuge, das von Tunis wieder nach Deutschland wollte, eine Flucht der Nazis, ein Flugzeug, dass einen Schatz birgt, kam nie am Ziel an. Ein Schatz, der später als „Rommels Schatz“ in die Geschichte eingeht. Diese Entdeckung ist unser Dreh- und Angelpunkt, der uns aus Piccola Sicilia in den Kriegsjahren immer wieder zurück in die Gegenwart katapultiert. Eine Gegenwart, in der Nina von einer fremden, bisher unbekannten Verwandten die Geschichte ihres Großvaters Moritz, oder Maurice, hört und wir mit ihr mit.

Was ist aus der so einleuchtenden Idee geworden, jeden Menschen als Menschen zu sehen und nur nach seinen Taten zu beurteilen?

Piccola Sicilia, Seite 199

In diesen Momenten der Gegenwart lernen wir etwas von der Nina kennen, die sie bisher war und die Nina, die sich kurz nach der Trennung von ihrem Mann vor der Welt versteckt. Und wir erleben, wie sie Stück für Stück eine neue, lebende Nina wird und Stück für Stück erfährt, was aus ihrem verschollenen Großvater geworden ist. Doch der Großteil von Daniel Specks Geschichte wirft uns mitten in das bunte, turbulente Tunis, in das Piccola Sicilia und die Medina hinein. Wortgewaltig und bildgewaltig schafft Speck es, mich dorthin zu versetzten. Eine offene, farbenfrohe Stadt, ein Viertel, in dem die Nachbarn sich helfen, in dem drei Religionen miteinander Leben, die Feste der anderen Mitfeiern und sich respektieren.

Wenn jemand in Friedenszeiten freundlich zu dir war, bedeutet das in Wahrheit nichts. Was wirklich zählte, war die Solidarität von Fremden in Zeiten des Krieges.

Piccola Sicilia, Seite 188

Eine Stadt und ein Land, dass nach dem Krieg, den die Deutschen bis direkt vor die Haustür brachten, mit Rommel, dem Wüstenfuchs, nie wieder so sein wird wie vorher. Indem die Regligionen plötzlich unter sich bleiben, Nachbarn nicht mehr ganz so aufgeschlossen sind, der einen den anderen verrät, um sich und die eigenen zu schützen. Aber auch eines, in dem es nach wie vor Hoffnung, den Glauben an das gute und an ein Happy End und Menschlichkeit gibt.

Mittendrin leben Yasmina und Victor. Beide arbeiten im Hotel Majestic. Sie sind heimliche Geliebte. Moritz, Kameramann der Propagandakompanie trifft hier auf die beiden im Jahr 1942. Er hatte einen einzigen Moment, um sich aus dem Nazi-Schlund zu befreien, Menschlichkeit in all dem Horror zu zeigen – als Victor von der SS hingerichtet werden soll und Moritz der einzige ist, der in befreien kann. Wird er es tun? Was passierte vorher, wie lebten Yasmina und Victor zuvor, wie entwickelt sich das Leben all der Menschen in Piccola Sicilia und der Krieg hier weiter? Und wie wird sich Moritz entscheiden? All das erfahren wir auf 615 Seiten, die mich tief berührten, die so viele wichtige Botschaften und so viel Kultur und Zeitgeschichte enthalten.

Die Faschisten sind nicht rational, sondern fanatisch. Ein rationaler Mensch untersucht die Wirklichkeit, um sie besser zu verstehen. Die Faschisten hassen die Wirklichkeit, weil sie zu paradox ist, sie erschaffen ihre eigene Wahrheit, in der es nur Schwarz und Weiß gibt, so lange, bis sie ihre eigenen Lügen glauben.

Piccola Sicilia, Seite 86

Hin und wieder zu viel „Nina“ & Wiederholungen

Daniel Speck hat mich fast absolut begeistern können. Denn – hin und wieder ist das Buch doch etwas zu langwierig, gerade im Handlungsstrang der Gegenwart. Hier wird nach meinem Geschmack Ninas Vorgeschichte mit ihrem Mann und ihren Gedanken rund um ihn etwas zu ausführlich behandelt. Hin und wieder kamen mir diese teilweise zwar kurzen Kapitel doch etwas überflüssig vor, da wir hier nur Gedankenfetzen von Nina mitbekommen. Hier hätte etwas Kürze gutgetan, um mehr in den spannenden Abschnitten der Vergangenheit zu bleiben und den Lesefluss etwas mehr beizubehalten. Denn diese Zeit hat Daniel Speck so lebendig, atmosphärisch, gefühlvoll und bildgewaltig dargestellt und dabei so geschickt die verschiedenen Kulturen und Religionen verwoben, dass ich das Buch trotz der Längen einfach nur lieben kann. Auch hier gab es allerdings ein paar Längen bei philosophischen Gedankengängen zu Religion und Krieg, die zwar einerseits inspirierend, wichtig und berührend waren und mich selbst zum Nachdenken anregten, andererseits aber etwas zu lang wurden oder zu oft wiederholt wurden.

Ein bunter Haufen authentischer aber nicht unbedingt sympathischer Charaktere

Ich fand bei Weitem nicht alle der vielen Charaktere sympathisch, manches Mal waren es mir auch einfach zu viele. Denn nicht jeden schafft er mitreisen zu lassen. Manche bleiben in ihrem Ist-Zustand zu Beginn der Geschichte, entwickeln sich nicht weiter – was aber auch teilweise authentisch wirkte. Dennoch sind die wichtigsten Charaktere – Nina, Victor, Mortiz, Yasmina und Albert ausgereift und für mich absolut authentisch mit teilweise guten Entwicklungen gezeichnet. Besonders Mortiz Weiterentwicklung fand ich unfassbar spannend, gerade gegen Ende war es bewegend und auch etwas bedrückend, mit ihm zu realisieren, zu welchen unfassbaren Taten die Nazi-Maschinerie fähig war. Diese innere Zerrissenheit, diese Zweifel und die Entscheidung, die er am Ende treffen muss, hat Daniel Speck für mich sehr gut transportiert und umgesetzt. Auch Victor macht im Laufe der Zeit eine starke Entwicklung durch, die aber für den Leser teilweise im Verborgenen bleibt. Nur Yasmina stagniert für mich etwas und ist auch am Ende noch immer zu naiv und „vor-Liebe-blind“.

Für Moritz waren Träume etwas, aus dem man aufschreckte, wenn man schlecht schlief. Yasminas Träume waren der Ort, an dem ihre Seele verankert war.

Piccola Sicilia, Seite 531

Weitere Rezensionen:

Infos zum Buch
Piccola Sicilia, Daniel Speck, S. Fischer Verlag, Taschenbuch, Klappenbroschur, 624 Seiten, ISBN: 978-3-596-70162-9 Roman, Erscheinungsjahr: 2018

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Der Literaturexpress von Lasha Bugadze

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Das Buch ist für mich absolut sexistisch – ich verwende Zitate, zwar nicht bildlich oder brutal, aber will dennoch den Hinweis darauf geben.

Zaza ist erfolgloser, georgischer Autor. Überraschend bekommt er eine Einladung aus Deutschland – mit 99 anderen Autoren soll er in einem Zug eine literarische Fahrt quer durch Europa antreten. Warum gerade er, ist ihm schleierhaft. Kurz darauf bricht der Kaukasuskrieg aus, seine Freundin Helene macht mit ihm Schluss und er erfährt, dass Zwiad, ein hochneurotischer Lyriker, der zweite georgische Autor im Zug sein soll. Zaza ahnt, die Reise wird sein Leben auf den Kopf stellen, denn im Literaturexpress erwartet ihn eine ausgefallene Schicksalsgemeinschaft.

Kaum Story und ein sexistisches Arschloch von Protagonist

Für mich war „Der Literaturexpress“ von Lasha Bugadze leider absolut nichts. Die Protagonisten, alle, vollkommen unstrukturiert ohne jegliche Entwicklung oder sinnvolle Gestaltung – rein in die Klischee- und Frauenfeindlichkeits-Kiste und rein in den Zug, fertig. Versprochen hatte ich mir ein interessantes Zusammentreffen von Autoren aus ganz Europa, dass mich ein bisschen in Prosa und Lyrik eintauchen lässt, in die Städte Europas mit eintauchen lässt und natürlich wollte ich wissen, wie es Zaza im Anschluss geht – denn der Klappentext verspricht ja, sein Leben würde auf den Kopf gestellt werden.

Tja, nun. Eigentlich sind wir fast nur im Zug. Hin und wieder stehen die 100 Autoren in einem heruntergekommenen Hotel in irgendeiner europäischen Stadt auf der Bühne. Vor den jeweils anderen der Gruppe. Immer ein paar andere stammeln in ihrer Sprache ihren Text runter – was natürlich weder wir erfahren, noch die anderen verstehen könnten. Denn so ein bisschen Arche Noah mäßig sind immer nur so zwei Autoren pro Land an Bord. Außer Zaza und Zwiad und noch zwei komische andere Autoren aus Russland lernen wir praktisch keinen kennen. Auch diese lernen wir eigentlich nicht wirklich kennen.

Doch eines ist allen gemein – alles sind irgendwelche ständig trinkenden, fremdgehenden, sexistischen Arschlöcher. Klischees, Vorurteile, Bodyshaming – all das könnt ihr im Buch erwarten. Mag witzig gemeint sein, geht für mich aber unter die Gürtellinie und war einfach ein absolutes NoGo. Noch dazu erleben wir eigentlich nur solche dämlichen Gedanken und Sprüche inklusive sexueller Traumgebilde des Protagonisten. Hin und wieder wird ein wirrer, völlig aus dem Zusammenhang genommener Text eines der Autoren, die wir nicht kennenlernen dürfen, eingeworfen. Der Sinn des Buches erschließt sich mir nicht, will ich auch gar nicht nach Stellen, wie den nachfolgenden:

Man muss schweigen können, wenn man hinter einer Achtzehnjährigen her ist. Schweigen, eine gewisse Strenge ausstrahlen und geheimnisvoll wirken. Wie bereits erwähnt, fangen sie erst ab fünfundzwanzig an, redselige Typen zu schätzen. Also schwieg ich eisern und hörte mir ihr Geschwätz an. Komischerweise unterhielten sie sich über Politik. Ja, sie waren vielleicht jung und dumm, aber sie diskutierten mit einem beachtlichen Enthusiasmus.

Der Literaturexpress, S. 77

Das könnt ich jetzt eigentlich schon so stehen lassen, oder? Dem ging übrigens voraus, dass man ja, wenn man als 28-Jähriger eine 18-Jährige ins Bett kriegen will, auf keinen Fall grammatikalisch korrekte Sätze verwenden darf, Satzzeichen schon gar nicht – sind ja jung und dumm und können von Politik oder der Welt absolut keine Ahnung haben. Da Platze mir schon zum ersten Mal die Hutschnur – absolut NOPE! Weiter gehts, hab noch ein paar mehr Beispiele, um zu verdeutlichen, warum ich dieses Buch als unter die Gürtellinie gehend betrachte:

Aber ein Gedanke huschte mir trotzdem durch den Kopf: Eine Intellektuelle. Leicht zu kriegen. Denn am schwierigsten zum Sex zu animieren sind die Dummen.

Der Literaturexpress, S. 144

Ja, richtig gelesen. Das steht da. Da ist so viel falsch einfach! Alleine schon das „zu animieren“ – nein, einfach nein. Man hat gefälligst niemanden zum Sex zu „animieren“ – Nein ist nein, wer nicht will, will nicht. Geht noch weiter, obacht:

Hätte ich keine Angst gehabt, wäre ich hartnäckig geblieben, hätte ihr Gesicht erneut in die Hände genommen und sie an mich gezogen. Und hätte sie sich weiterhin geweigert, hätte ich vielleicht sogar ein wenig mit ihr gerungen, so wie es sich gehört.

Der Literaturexpress, S. 220

WIE ES SICH GEHÖRT – ARE YOU FREAKIN KIDDIN ME?!!!! – Nein! Ganz ehrlich, da krieg ich das Kotzen. Vielleicht hab ich das Buch „nicht verstanden“. Vielleicht soll es witzig sein. Aber, nope – solche Aussagen gehen für mich nicht. Gefühlt waren das noch fast die harmlosen Dinge. Und bevor ich hier jetzt vollkommen ausraste, belasse ich es dabei – ich denke, ihr versteht, warum das Buch für mich gar nicht ging. Von mir absolut keine Leseempfehlung!

Infos zum Buch
Der Literaturexpress, Lasha Bugadze, Ullstein, Taschenbuch, 320 Seiten, ISBN: 3 9783548290881, Roman, Erscheinungsjahr: 2018


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Die Ausgeschlossene von Gitte Lindahl

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Eines Abends sieht William Falk in einem Restaurant in Stockholm eine junge Frau. Sie ist seiner verstorbenen Geliebten wie aus dem Gesicht geschnitten. Kurze Zeit später kommt ein Anruf für Ihn und seine Frau – in ihrem Ferienhaus in den Schären wurden zwei Menschen ermordet aufgefunden. Hat etwa die mysteriöse Doppelgängerin etwas mit dem Mord zu tun? Bald wird klar, dass jeder Beteiligte ein dunkles Geheimnis verbirgt.

Unrunde Charaktere und etwas weird

William Falk ist erfolgreicher Juwelier in Stockholm, der aus dem kleinen Geschäft seines Vaters ein florierendes Online Business gemacht hat. Seit 10 Jahren begleitet ihn seine Frau Kristen dabei, die ursprünglich aus Lübeck stammt. Auf den ersten Blick die perfekte Partnerschaft. Doch der Schein trügt, wie so oft, das verrät ja schon der Klappentext. Denn William ist – sorry – einfach ein Arschloch! Nichts anderes, ein verlogenes noch dazu. Er hat ein Geheimnis, von dem seine Frau nichts weiß und hatte über Jahre in weg besagte Geliebte, die verstorben ist, von der weiß Kristen aber sogar. Sie spielt die verständige Ehefrau – doch kann das wirklich so wahr sein? William ist für mich wegen dieser Tatsache und einigen anderen Dingen schon mal unten durch, Kristen ist aber auch einfach irgendwie naja.

Am Anfang war sie noch mein liebster Charakter – doch, wie bei den meisten der anderen Charaktere, war für mich entweder keine Entwicklung oder eine sehr unrunde, eigenartige Entwicklung vorhanden. Gut, muss vielleicht bei einem Roman, der eher Kriminalroman ist, nicht unbedingt sein. Aber, ich kann es gar nicht so richtig in Worte fassen – es passte einfach nicht. Es fühlte sich etwas zusammenhangslos an. Als wäre ich zwischendurch bei neuen Charakteren gelandet oder jemand anderes hätte ohne Übergabe der vorherigen weitergeschrieben. Spätestens als sie plötzlich ein zweiter Gollum war, der manische Gespräche mit sich selbst führt, bin ich hier ausgestiegen, hä? Warum und wtf? Das war eigenartig und hat irgendwie gar nichts zu ihrem Charakter oder der Spannung beigetragen.

Wenig Spannung, kein wirklicher roter Faden

Ich würde euch an der Stelle gerne viel mehr dazu erzählen, was mich gelangweilt hat und meiner Meinung nach die Spannung und Plot-Entwicklung super gebremst und gestört hat. Aber das wäre schon gespoilert. Es muss also irgendwie auch so gehen. Mich hat diese gewisse Person aus dem Klappentext und das ständige Gelüge und Gejammere tierisch aufgeregt. Alles in allem hat hier wirklich jeder ein dunkleres Geheimnis, mal eins, mal zwei, mal mehr – insgesamt hat Gitte Lindahl hier für mich versucht zu viele Geheimnisse und Plot-Twiste auf einmal zu verbauen. Noch dazu waren sie für mich nicht so wirklich rund zusammengeführt oder zusammenpassend. Entsprechend holprig klang für mich auch das ein oder andere Kapitel mit eher unspektakulärem Schreibstil. Spannung kam für mich eigentlich nicht auf und am Ende klappte ich das Buch mit einem Lauten – hm, und jetzt? – zu.

Infos zum Buch
Die Ausgeschlossene, Gitte Lindahl, Diana Verlag, Taschenbuch, 304 Seiten, ISBN: 978-3-453-35931-4, Roman, Erscheinungsjahr: 2018

*Das Buch wurde mir vom Diana Verlag zur Rezension zur Verfügung gestellt. Dennoch spiegelt sie meine eigene und ehrliche Meinung wieder.

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Die Vergessenen von Ellen Sandberg

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1944 tritt Kathrin Mändler eine Stelle als Krankenschwester in der Pflege- und Heilanstalt Winkelberg an. Sie denkt, endlich ihren Platz im Leben gefunden zu haben. Kurz darauf begegnet die junge Frau dem charismatischen Arzt Karl Landmann und fühlt sich unweigerlich zu ihm hingezogen. Doch zu spät merkt sie, dass Landmanns Arbeit das Leben vieler Menschen bedroht – auch ihr eigenes. Manolis Lefertis – 2013. Er ist ein Mann für besondere Aufträge. Eines Tages soll er geheimnisvolle Akten aufspüren, die sich im Besitz einer alten Dame befinden. Er hält den Auftrag für reine Routine und ahnt nicht, dass er in Begriff ist, ein Verbrechen aufzudecken, das Generationen überdauert hat.

Fiktive Orte, historische Fakten und Krimi in einem

Sie gingen durch den Flur und stiegen die Treppe hinab. Schatten folgten ihnen.

Der andere Manolis, ein blutiges Kind mit klaffenden Wunden. Seine Schwestern, die ihre abgeschnittenen Brüste in den Händen trugen. Babás Mutter, so weiß wie ein Leinentuch, Babás Vater mit aufgeschlitzer Brust. Die kleine Therese mit den roten Zöpfen, Emil mit debilem Lächeln, Franz mit hungrigem Blick und ein Heer von Namenlosen.

Warum habt ihr uns nicht gerächt? Habt hingenommen, geschwiegen, erduldet? Vergessen?

Die Vergessenen, Ellen Sandberg, Seite 488

Leute, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Dieses Buch, ich bin sprachlos, fix und fertig, geschockt – vor allem darüber, was man eigentlich alles noch immer nicht weiß und wie wenig man in der Schule zum Thema NS-Zeit eigentlich gelernt hat. Ein grauenhaftes Verbrechen – Rache an rund 218 Menschen wegen Partisanen, die drei deutschen Soldaten getötet haben – an Frauen, Kindern, Säuglingen, Alten und Jungen, abgeschlachtet aus Rache und weil sie die Macht dazu hatten, und bis heute hab ich noch nie vom Massaker in Distomo gehört – bis zu Ellen Sandberg und Die Vergessenen. Und die Euthanasie-Morde der NS-Zeit – hat man mal gehört, aber auch hier, kaum Hintergrund, kaum Aufklärung – zu viele Vergessene. Die Pflege- und Heilanstalt Winkelberg ist zwar fiktiv, die Personen auch – doch eng angelehnt an historische Fakten und die mehr als 2000 Getöteten aus den Hungerhäusern und der Kinderfachabteilung, die es in der damaligen Pflege- und Heilanstalt Eglfing-Haar wirklich gab. Verbrechen, die kaum noch einer auf dem Schirm hat und die praktisch nicht aufgeklärt wurden und von vielen gerechtfertig wurden, von wegen „Gnadentod“.

Warum ich das erwähne? Weil genau das von Ellen Sandberg in „Die Vergessenen“ verarbeitet wird. Zwar sind Personen und Orte fiktiv, doch sie hält sich, wie sie in den Anmerkungen angibt, sehr eng an die historischen Fakten zu den Orten und den damaligen Ereignissen. Fühlte ich mich das ganze Buch über schon beklommen, so gab mir dieses Wissen den Rest. Dabei verwebt sie diese viel zu sehr vergessene Geschichte mit der fiktiven Geschichte von Manolis und seiner Familie, von Vera und ihrer Tante Kathrin und der vieler namenloser Vergessener. Das ganze schafft sie mit einem Schreibstil, der unter die Haut geht und konstant spannender Atmosphäre, die mich das Buch kaum aus der Hand legen lies. Ein Buch wie ein Krimi, mit hervorragenden gezeichneten Protagonisten, herausragend und authentisch geschrieben und recherchiert, das mich immer wieder zum Nachdenken brachte und in dem Ellen Sandberg die großen Themen Gerechtigkeit und Rache behandelt.

Zentrale Rolle spielt Vera – die im Klappentext ja gar nicht erwähnt wird. Seit Jahren hängt sie in einem Job fest, auf den Sie eigentlich keine Lust hat, der aber Sicherheit bedeutet – als Redakteurin für eine Frauenzeitschrift. Doch eigentlich will sie längst zurück zum investigativen Journalismus und etwas bewegen. Und das tut sie in „Die Vergessenen“ – denn dank ihr erfahren wir all diese Geschehnisse. Warum und wie es dazu kommt – das wäre schon zu viel gespoilert, weshalb ich nicht mehr darauf eingehen möchte. Und wie Manolis dazu passt, dessen Vater im schon als er ein sechsjähriger Junge war, die Geschichte seiner Familie erzählte, die im besagtem Massaker in Griechenland ums Leben kam, erlest ihr euch am besten auch selbst. Es lohnt sich!

Gemeinsam begeben wir uns mit Vera und Manolis tief auf die Spuren der Vergangenheit und dieser grauenhaften Verbrechen. Und gleichzeitig lässt uns Ellen Sandberg tief in die Familiengeschichten der beiden eintauchen. Familiengeschichten, die bis heute von den Ereignissen der NS-Zeit gezeichnet und teilweise überschattet sind und eine Handlung, die mehr als der Klappentext vermuten lässt im Heute spielt. Eine perfekte, äußerst gelungene Mischung und ein extrem wichtiges, gleichzeitig spannendes Buch, das ich wirklich jedem ans Herz legen kann.

Weitere Rezensionen:

Infos zum Buch
Die Vergessenen, Ellen Sandberg, Penguin Verlag, Taschenbuch, 512 Seiten, ISBN: 978-3-328-10089-8, Roman, Erscheinungsjahr: 2017

*Das Buch wurde mir vom Penguin Verlag zur Rezension zur Verfügung gestellt. Dennoch spiegelt sie meine eigene und ehrliche Meinung wieder.

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Sechzen Wörter von Nava Ebrahimi

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Werbung/Rezensionsexemplar – Das Buch wurde mir vom BTB Verlag zur Rezension zur Verfügung gestellt. Dennoch spiegelt sie meine eigene und ehrliche Meinung wieder.

Es gibt Wörter, die wir nicht kennen. Deren Bedeutung wir aber erahnen. Als wären sie immer schon hier gewesen. Als hätten sie schon immer in uns gewohnt. Und manchmal wollen sie endlich ausgesprochen werden.

(c) BTB

Mona beschließt, ein letztes Mal in den Iran zu fliegen, als ihre Großmutter stirbt. Sie war eine sehr eigenwillige Frau, die stets einen unpassenden Witz auf den Lippen hatte. Mona wagt mit ihrer Mutter die Reise, in die trügerische Heimat. Ihren Rückflug zurück in ihr Kölner Leben zwischen Club und Coworking hat sie bereits gebucht. Doch ihr iranischer Langzeitliebhaber Ramin überredet sie zu einem Abschiedstrip nach Bam. Die Stadt, die fünf Jahre vorher von einem Erdbeben komplett zerstört wurde. Monas Mutter schließt sich kurzerhand als Anstandsdame an, damit die Sittenwächter nicht auf falsche Ideen kommen. Auf der Fahrt wird Mona mit ihrer eigenen Identität und Herkunft konfrontiert, über die vieles im Dunkeln liegt. Doch dann wird ihr das Fremde auch wieder so vertraut und dafür das einst vertraute verschwommen.

Eine Frau, zwei mal Heimat

Erst war es nur ein Wort. Es überfiel mich, wie all diese sechzehn Wörter, aus dem Hinterhalt. Nie hatte ich es bisher geschafft, mich zu wehren, stets zwangen sie mir aufs Neue ihre Botschaft auf; da ist noch eine andere Sprache, deine Muttersprache, glaube ja nicht, die Sprache, die du sprichst, wäre deine Sprache.

(c) Zitat vom Buchrücken, BTB Verlag, Nava Ebrahimi, Sechzen Wörter

Mona ist im Iran geboren und lebt als freie Journalistin in Köln, zwischen Clubszene und Coworking-Space, eine moderne, junge Frau Anfang 30 und Single. Zuletzt war sie einige Jahre zuvor für ein Jahr in Teheran, um über den Fall eines Deutschen zu berichten, der dort inhaftiert war und hingerichtet werden sollte, da er gegen die iranischen Sitten verstoßen hatte, in dem er außerehelichen Geschlechtsverkehr einging. Damals lernte sie auch Ramin kennen, mit dem sie immer nur dann Kontakt hat, wenn sie mal im Iran ist.

Solange sie in Deutschland ist, ist das ihre Identität, ihr Leben, ihre Sprache und Heimat. Der Iran ist dann für Sie immer sehr weit weg, das dortige Leben mit dem in Deutschland vollkommen getrennt. Nur ihre Großmutter, die sie öfter Besuchen kam, bringt einen Hauch iranische Kultur mit und ein Stück der anderen Heimat. Mit der Großmutter und der Beschreibung, wie sie war und wie die Besuche bei und von ihr waren, startet Nava Ebrahimi auch die Geschichte. Gemeinsam fliegen wir zur Beerdigung und gehen mit Mona, ihrer Mutter und Ramin auf den spontanen Trip nach Bam. Dabei fallen ihr im Laufe der Erzählung, mehr und mehr Erinnerungen und Momente von früher ein, die sich in 16 Kapiteln anhand von 16 iranischen Wörtern aufteilen. Wörter, die sie immer schon unterbewusst in sich hatte, deren Bedeutung sie früher und im Laufe der Reise erfragt und teilweise zum ersten Mal so richtig versteht.

Zwei Identitäten, eine Reise in die Kultur des Irans

Während wir mit ihr nach Bam Reisen erleben wir auch ihre Zerrissenheit, zwischen den zwei Identitäten – die in Deutschland und die im Iran. Schon immer hat sie gespürt, dass diese beiden Welt nicht richtig zueinander passen wollen und dieses Gefühl transportiert Nava Ebrahimi sehr gut. Wir erleben mit ihr, wie sie Stück für Stück wieder die andere Heimat und Sprache erlebt und kennenlernt. Anhand dieser 16 Wörter, die uns einen Einblick in ihre Familiengeschichte aber vor allem auch in die Kultur ihrer anderen Heimat geben. Und eine Reise, die zeigt, dass sie irgendwie zwischen zwei Welten lebt – im Iran fällt sie durch ihr schlechtes Persisch und die hellere Haut auf. In Deutschland genau das Gegenteil – auch hier hat sie schon in jungen Jahren gelernt, dass sie irgendwie anders ist. Dabei beschreibt Nava in beiden Ländern sowohl lustige, fröhliche Momente aber eben auch Momente, in den diese Zerrissenheit, das Zwischen den Stühlen Sitzen besonders stark hervortritt und auch unangenehme Erlebnisse, die dadurch bedingt für Mona entstehen.

Infos zum Buch
Verlag: BTB
Erscheinungsjahr Taschenbuch: 2019
Seiten: 320
Genre: Roman
Format: Taschenbuch
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1793 von Niklas Natt och Dag

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Werbung/Rezensionsexemplar – Das Buch wurde mir vom Piper Verlag zur Rezension zur Verfügung gestellt. Dennoch spiegelt sie meine eigene und ehrliche Meinung wieder.

In Stockholm wird im Jahr 1793 eine grausam verstümmelte Leiche geborgen. Ihr fehlen Arme und Beine, der Rest des Körpers ist fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Jean Michael Cardell, ein traumatisierter Kriegsveteran mit Holzhand, und der Jurist Cecil Winge, tun sich zusammen, um den grausamen Fund und Mord aufzuklären. Winge, genialer als Sherlock Holmes und bei der Stockholmer Polizeit für „besondere Verbrechen“ zuständig. Schnell finden sie heraus, dass das Opfer mit chirurgischer Präzision gefoltert wurde und der Ruf nach Gerechtigkeit treibt sie an. Dabei warten Abgründe auf sie, die selbst sie sich nicht vorstellen hätten können.

Leider Abgebrochen

Ich hatte mir vom Buch nach dieser vielversprechenden Inhaltsangabe richtig viel erwartet. Spannung pur, etwas Schweden von anno dazumal und ein Hach Sherlock? Damit lockt man mich sofort! Es fing auch vielversprechen an mit dem Fund dieser grauenhaft zugerichteten Leiche und dann – für mich Grillenzirpen. Ja, es ist düster und historisch gut aufbereitet. Aber, mehr wars für mich nicht. Der Schreibstil fühlte sich für mich leider sehr schleppend an und auch die Handlung braucht wirklich lange, ich habe bis zum zweiten Kapitel von Teil zwei gelesen, also mehr als hundert Seiten, dennoch kam für mich bis dahin keine Spannung auf. Zwar wechselt die Erzählperspektive dann noch drastisch, doch fangen konnte mich Nikals Natt och Dag dann auch nicht mehr. Über hundert Seiten darf eine Geschichte für mich einfach nicht brauchen, um in Fahrt zu kommen. Auch der Sherlock Holmes vergleich hinkt absolut. In den über hundert gelesenen Seiten erlebte ich eigentlich nur einen einzigen Sherlock Moment, der aber bei weitem nicht dem „genialer“ gerecht wird. Außerdem könnte ich mir tatsächlich auch eine einzelne Sherlock Holmes Geschichte schwer auf so vielen Seiten vorstellen – diese Art der Detektivgeschichten sind für mich grade gut, weil sie kurz, knackig und schnell auf dem Punkt sind. Leider trifft das für mich nicht auf 1793 zu. Teil zwei war zwar spritziger geschrieben, dennoch brach ich hier dann ab – der Bruch zum ersten Teil der Geschichte war dan so krass, ich dachte kurz, ich bin im falschen Film oder vielmehr Buch. Auch die Neugier, wie das zusammenpassen kann, reizte mich nicht mehr ausreichend. Ich werde das Buch aber nicht in Punkten bewerten – wenn ich ein Buch abbreche kann ich euch begründen warum, aber eine Bewertung find ich dann immer unfair (sofern nicht wegen extrem problematischen Dingen abgebrochen), da ich dem Gesamtbild nicht gerecht werden könnte und ja nicht sagen kann, ob die Kurve noch genommen wird.


Infos zum Buch
Verlag: Piper Erscheinungsjahr: Septemer 2019 Seiten: 496 Genre: Roman, Kriminalroman Übersetzung: Leena Flegler Format: Klappenbroschur

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